In einem fernen Land, vor nicht allzu langer Zeit, lebte einst
eine wunderschöne, silberne, kleine Schlange.
Doch sie selbst war keineswegs glücklich über ihr Aussehen,
denn immer, wenn sie eine goldene Schlange traf, erblasste sie vor Neid,
was sie dann ganz glanzlos und grau erscheinen lies.
Ich will auch so eine wunderschöne goldene Haut haben,
dachte sie dann jedes Mal bei sich und war sehr, sehr traurig und enttäuscht,
weil sie nur eine silberne Haut hatte
Dadurch war sie sich ihrer funkelnden individuellen Schönheit in keiner Weise bewusst.
Eines schönen Tages, als sie mal wieder mit sich haderte
und sich nur unwohl in ihrer Haut fühlte, schlängelte sie so durch die Strassen und sah
wie ein alter Mann, seinen verwitterten, alten Gartenzaun mit einer neuen,
kräftig, leuchtenden Farbe anstrich.
Da kam ihr eine, wie sie glaubte, grandiose Idee
und augenblicklich ging sie zu dem Alten.
Dieser hatte sie schon bemerkt und sagte:
"Na kleine Silberschlange, du siehst aus,
als hättest du gerade einen Geistesblitz gehabt?"
"So ist es!" rief sie aus und meinte
"Wenn du dem Zaun eine neue Farbe geben kannst, so kannst du das sicher auch bei mir!
Ich will jetzt sofort eine Goldschlange sein!"
Der Alte zog die Augenbrauen hoch und meinte:
"Aber wozu soll das gut sein. Du bist wunderschön so wie du bist."
"Ich will aber eine goldene Schlange sein!" entrüstete sich die kleine Silberschlange
und du musst mir dabei helfen!
Hast du goldene Farbe?"
"Die hab ich wohl" entgegnete der Alte, "doch du wirst dich nicht wohl fühlen damit,
denn obwohl die Farbe dehnbar ist, so ist es doch nicht deine Haut,
sie gehört nicht zu dir und wird dir kein Glück bringen."
"Papperlapapp, das lass mal meine Sorge sein." widersprach die Schlange frech
und nun geh und hol die Farbe, ich kann es kaum mehr erwarten!"
Und so strich der Alte die Schlange erst auf der einen und als sie getrocknet war,
auf der anderen Seite an.
"Ich brauch einen Spiegel, damit ich meine Schönheit bewundern kann!"
rief sie aus, als sie fertig war
und als sie sich betrachtete, war sie sehr zufrieden
und überglücklich über ihr neues Aussehen.
Vor lauter Stolz und Eitelkeit, vergaß sie fast,
sich bei dem skeptisch dreinblickenden Alten zu bedanken,
tat es dann doch mit einem beifälligen
"Ach ja, danke auch!" und schlängelte sich davon.
Jetzt bin ich eine goldene Schlange, dachte sie voller Zufriedenheit
und jeder im Tier-Pflanzen und Menschenreich wird mir voll Respekt
und Ehrfurcht begegnen und meine Schönheit bewundern.
Von Ferne sah sie einen gemütlichen, alten, weisen Löwen daherschlendern.
Ah, der König der Tiere, der kommt mir gerade recht,
nun wird er sich vor mir verbeugen und mir seinen Respekt zollen
frohlockte sie innerlich und ging ihm hochmütig entgegen.
Dieser aber fing, als er die goldene Schlange sah, an, lauthals zu lachen
und konnte sich überhaupt nicht mehr beruhigen.
"Was gibt’s hier zu lachen?" empörte sich die Schlange
"Ich bin hier, damit du mir deinen Respekt erweist!"
"Respekt, Respekt vor dir?" heulte der Löwe auf
und hielt sich den Bauch vor lauter Lachen
und der Lachanfall des Löwen wollte gar kein Ende nehmen.
Unsere kleine Schlange war sichtlich irritiert
und fragte nun plötzlich sehr kleinlaut:
"Warum lachst du?"
Weil du nicht echt bist und glaubst, man merke das nicht,
denn dein Gold ist nichts als Blasiertheit.
Echtes Gold strahlt Reinheit, Liebe und Demut aus." sagte er und zog seines Wegs
So hatte sich das die kleine Schlange nicht vorgestellt
und sie wurde sehr, sehr traurig
In diesem Moment kam ein großer, schwarzer Rabe herbei geflogen.
Er gesellte sich zu ihr und fragte:
"Was macht dich denn so traurig?"
Und so erzählte die Schlange ihm ihre ganze Geschichte
und schloss mit dem Satz
"Nun bin ich zwar golden, aber unglücklicher als zuvor, als ich noch silbern war!
Der alte Mann hatte wohl doch Recht, als er sagte, es würde mir kein Glück bringen.
Ach hätte ich doch nur mein altes Silberkleid wieder, ich wäre wohl zufrieden damit."
Der schwarze Rabe, der ein großer Magier war, schaute die kleine Schlange mitfühlend an und sagte liebevoll:
"Alles hat seine Zeit und es ist gut, das zu lieben, was ist,
weil das, was man glaubt, dass es einen glücklicher macht, dies nur selten tut.
Wenn du deine eigene Schönheit aber erst jetzt erkennen kannst,
nachdem du diese Erfahrung gemacht hast, so war dieser Weg nicht umsonst."
"Ich sehne mich so sehr nach meinem alten Kleid und ich weiß, dass ich es jetzt
voll Freude und Liebe tragen werde und sehr glücklich und zufrieden bin damit."
sagte sie und schwupp, löste sich die goldene Farbe wie in Nichts auf
und ihre wahre, silberne Hülle erstrahlte in ihrer schönsten Pracht.
Tränen der Dankbarkeit lösten sich.
Überglücklich und voll wahrer Demut bedankte sich die kleine Schlange beim Raben
und dieser gab ihr noch mit auf den Weg.
"Glaube an Wunder und sie geschehen!"
"Ja, das will ich gerne tun, habe ich doch soeben eines am eigenen Leib erfahren.
Leb wohl weiser Rabe. Sei gesegnet für deine Hilfe!"
So zog die kleine Silberschlange voll inneren Friedens weiter ihres Weges
und jeder der sie sah, rief voll Bewunderung:
"Schaut die wunderschöne kleine Silberschlange, wie herrlich sie glänzt
und wie liebevoll sie ist!"
Immer tiefer und größer wurde die Dankbarkeit in ihrem Herzen
und die Erkenntnis kam, dass sie ohne ihre Erfahrungen als unechte Goldschlange,
sich selbst nie so lieben, respektieren und achten hätte können,
wie sie dies jetzt tat.
Aus vollem Herzen segnete sie diese reichen Erfahrungen und den Weg
und verwandelte so den erfahrenen Schmerz in einen wunderbaren Schatz
in ihrem Herzen.
Nicht lange nach diesem wundersamen Ereignis,
an einem strahlenden sonnigen Tag,
legte sich die kleine Silberschlange gemütlich auf einen warmen Fels,
kringelte sich ein und genoss in vollen Zügen ihr Sein.
Als sie erwachte, lag neben ihr eine silbern glänzende Hülle
und sie wusste sofort; sie hatte sich wieder einmal gehäutet.
Unter ihrer silbernen Haut, die nun abgestreift neben ihr lag,
erstrahlte nun ihr wahres Selbst
in überirdisch glänzendem, herrlichem reinstem Gold.
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